Buch: ‚Die Bienen und das Unsichtbare‘ von Clemens Setz

✍️ Geschrieben am 2022-04-26 mit 2114 Wörtern. Als Teil von media German English Esperanto reflection

Update 2022-04-27: Feedback by Anita implemented (thx!)

Motivation

Mein Bruder schenkte mir das Buch vor einem Jahr (thx!). Aufgrund meines aktuellen Interesses an Esperanto passt es thematisch sehr gut und war auch deutlich leichter zu lesen als Die Farben der Magie.

Buch „Die Bienen und das Unsichtbare“

Zusammenfassung

Es gibt keine für mich zufriedenstellende Rezension, darum probiere ich es mal. Ich erachte es für passend es in drei Sprachen zu machen:

Clemens Setz mag zwar keine Biene des Unsichtbaren sein, aber teilt seine Auseinandersetzung mit Kunstsprachen in diesem Buch. Einerseits werden ernsthafte Anforderungen wie Kürze (Ithkuil) und Nonverbalität (Blissymbolics) diskutiert, aber Setz bietet mit Einblicken in Láadan, Grammelot, Glossolalie, Klingonisch und Lingua Ignota auch eine Gegenpfarre entlang der Sapir-Whorf Hypothese. Hierbei wird die religiöse, kulturelle und politische Weite der Sprachenbildung (Verfolgung der Esperantistoj und Einsamkeit der conlang native speaker) nicht ausgeklammert. Anhand von ausgiebigen poetischen Beispielen wird die linguistische Ästhetik illustriert, sodass das Buch jedem Linguistikinteressierten zu empfehlen ist.

— deutsche Rezension

Clemens Setz ne asertas esti abelo de nevideblo, sed reportas sian sperton pri planlingvoj en tiu libro. Unuflanke li priparolas serioza postuloj kia koncizeco (Ithkuil) kaj neparoleblo (Blissymbolics). Aliflanke verkisto Setz ofertas kontraŭparoĥoj per la láadan, grammeloto, glossolalio, la klingona kaj la ignota lingvo laŭlonge la hipotezo de Sapir-Whorf. En tiu kunteksto la religiaj, kulturaj, kaj politikaj aspektoj (persekuto de esperantistoj kaj soleco de planlingvanaj denaskuloj) ne mankigas. Per diversaj poemoj, la verkisto ilustrias la lingvistika estetiko, do mi konsilas la libron al ĉiuj homoj kiuj interesiĝas pri lingvistiko.

— esperanta recenzo

Clemens Setz might not be a bee of invisibility, but shares his own exposure to constructed languages in this book. On the one side serious requirements such as brevity (Ithkuil) and nonverbality (blissymbolics) are discussed, but Setz also provides insights into Láadan, Grammelot, Glossolalie, Klingonisch, and Lingua Ignota as counterparish along the Sapir-Whorf hypothesis. The religious, cultural, and political depth of linguistic endeavours are not neglected (persecution of Esperanto speakers and secludedness of conlang native speakers). By a large corpus of poems, linguistic aesthetics are discussed to make this book recommendable to everyone interested in linguistics.

— English write-up

Zitate

„Anteilsam?“ „Sagt man das nicht so? Anteilnahme, anteil…sam. Keine Ahnung. Du bist der, der Deutsch kann.“

— Die Bienen und das Unsichtbare (Seite 55)

„Nun würde alles gut werden. Die Blisssymbolics würden von einer neuen Generation erlernt und damit in die Welt getragen werden. Die Saat für das Ende aller Kriege, aller Lügen, aller Gewalt war ausgestreut und würde aufgehen. Die universelle Sprache würde nach und nach die anderen, minderwertigen Sprachen verdrängen. Und die Menschheit dürfte, endlich, über die kommenden Jahrhunderte von all ihren Verirrungen ausruhen und heilen.”

— Die Bienen und das Unsichtbare (Seite 71)

„Bliss pflegte seine Frau, währenddessen erlernte er eifrig das Chinesische. Eines Tages erklärte ihm sein Chinesischlehrer etwas Verblüffendes: Zwei Chinesen aus unterschiedlichen Teilen des Landes könnten, so der Lehrer, eine Tageszeitung lesen und verstehen, aber wenn man sie miteinander reden ließe, würden sie einander nicht notwendigerweise verstehen, weil völlig unterschiedliche Dialekte sprächen.“

— Die Bienen und das Unsichtbare (Seite 33)

„Da die Japaner vom Begriff ‚Juden‘ keinerlei Feindbild abzulesen vermochten, wurden diese im diplomatischen Austausch von Meisinger kurzerhand in ‚Anti-Nazis‘ umgetauft und zu Spionen erklärt. […] Wieder einmal zeigte die Sprache ihr dämonisches Antlitz. Wörter als Munition.“

— Die Bienen und das Unsichtbare (Seite 34)

„In der Deutung einiger Gelehrter ist das Zungenreden überhaupt nichts Menschliches, sondern nur der Interferenzeffekt, der entsteht, wenn man die Heilige-Geist-Sprache auf dem niederen Betriebssystem des menschlichen Gehirns laufen lässt.“

— Die Bienen und das Unsichtbare (Seite 252)

„Am 13. November 1925 schrieb Rainer Maria Rilke an seinen polnischen Übersetzer Witold Hulewicz: ‚Wir sind die Bienen des Unsichtbaren‘. Ist das nicht auch die beste Definition von Dichtern in erfundenen Sprachen? Sie bringen Ertrag und Nährstoffe von einer Quelle, die sonst kaum jemand sehen kann. Wer eine erst vor kurzem erfundene Sprache spricht, macht sich in gewisser Weise vor der Weltgeschichte unsichtbar. Die Weltgeschichte hasst so was.“

— Die Bienen und das Unsichtbare (Seite 342)

„[…] immer kam er überall an, mit seiner altmodischen Braille-Schreibmaschine im Gepäck und einem Geist, offen und hellwach und flink wie ein Florett, in dem jede neue Sprache schon nach kürzester Studier- und Downloadzeit installationsbereit wartete.“

— Die Bienen und das Unsichtbare (Seite 356)

„Überhaupt ist Esperanto, obwohl sein Erfinder dies eigentlich hatte verhindern wollen, zum Bersten voll von möglichen Doppelbedeutungen. Der Wiener Esperantist Cimpa wies mich auf das simple Beispiel ‚informo‘ hin, was einerseits Information bedeutet, aber auch ‚in-formo‘, ‚weibliche Form‘. Das kommt davon, dass man ein weibliches Partikel wie ‚in‘ verwendet. Ein Wort wie ‚indigo‘ könnte man auf Esperanto mit ‚Frauen-Deich‘ übersetzen.“

— Die Bienen und das Unsichtbare (Seite 358)

„Mir ist es, glaube ich, nicht gegeben, in Plansprachen zu dichten“

— Die Bienen und das Unsichtbare (Seite 401)

Notizen

(Links zur EN oder DE Wikipedia, je nachdem welcher Artikel informativer ist)

Seite

Notiz

13

ital. Autor, Übersetzer: Tommaso Landolfi

16

amerik. Stamm: Yahi

17

Aboriginalsprache Mati Ke

19

L.L. Zamenhof, Lingvo Internacia, Esperantovereine

21

öster. Gebärdensprache

22

“A Man Without Words” von Susan Schaller

26

Blissymbolics

30

Mr. Symbol Man, Charles Bliss, Semantography

34

SS-Mann Josef Meisinger

36

logisch versus illogisch

60

vegetable theory, Ontario Crippled Children’s Center, Shirley McNaughton

74

Blissymbolics World license

77

Blissymbolics native speaker: Mustafa Ahmed Jama

79

Dichter: Sreĉko Kosovel

84

Buch „The Best of H.C. Artmann“ von H.C. Artmann

88

Flatland” von Edwin A. Abbott

91

conlang aUI “The Language of Space”

91

Philosoph, Psychologe, Autor von conlang aUI: W. John Weilgart

100

Irischer Poet: Antoine Ó Raifteiri

104

Wort „Chrestomathie

109

keltische ausgestorbene Sprache: The Pictish Language

113

Schriftsystem: Ogham

118

Schriftsteller Franz Josef Czernin (Dichter)

119

Dichterin Catrin Dafydd, Annahme: im Buch fälschlicherweise als „Catrin Dawydd“ geschrieben

129

conlang Autor Johann Martin Schleyer, conlang Volapük

145

conlang Ithkuil

150

Sapir-Whorf Hypothese

151

conlang Láadan

152

Linguistin experimentierend mit Gender und Emotionen, Elgin

155

Láadan Beispielliste

163

Buch Babel-17

163

Dokumentation “The Polymath, or the Life and Opinions of Samuel R. Delany, Gentleman” von Fred Barney Taylor

168

conlang Autor: James Keilty, conlang Prashad und Talossa, Buch „The People of Prashad“

187

Volapükist: Hermann Philipps

188

Volapükist: Johann Schmidt

191

„Gegenpfarre“

201

Volapükistin: Corinne Cohn

205

Meskwaki culture, aka. Fox

207

John Cage, “They say totally determined music and indeterminate music sound the same”

208

Sprachtechnik Grammelot

214

Thamsanqa Jantjie dolmetscht SASL bei Nelson Mandelas Trauerfeier falsch

221

kroatische Untertitel in Serbien

225

August Walla muss alles beschriften

239

Lingua Ignota

240

Peter Handkes Nobelpreisrede wird mit EN Spracherkennung transkribiert

243

Begriff Glossolalie

248

Martin Kessel, Buch „Herrn Brechers Fiasko“, Ü-Sprache

259

Hund Arli tippt

268

Henry Wadsworth Longfellow’s Gedicht in Esperanto

277

Schulanekdoten “Lumo kaj Ombro

282

Esperantodichter William Auld

285

Esperantodichter Julio Baghy (Alternative zu Dimotiki)

287

conservative form of Modern Greek: Katharevousa

288

Interslawisch

291

Esperanto and Open Source

293

Esperanto Dichter: Gyula Julio Baghy

297

Esperanto Dichter: Kálmán Kalocsay

299

Deutsches Reimlexikon: 2rhyme.ch

301

Esperanto-Dichterin: Marjorie Boulton

309

Esperanto native speaker: Klára Ertl, Esperanto Dichter: István Ertl

310

Language Lingala

310

„Ihr zufolge gibt es offenbar zwei Gruppen, die unterschiedliche Spielarten des ‚perfekten Beherrschens‘ einer Sprache verkörpern: Enthusiasten – und deren Kinder“

310

Kreolsprache Papiamentu

310

Esperantobewegung Finvenkismo

312

veni-vidi-vici

313

Esperantisto François Lo Jacomo

319

Esperantobewegung Raumismus

320

Esperantobewegung Esperanta Civito

321

„Finde heute noch einen monolingualen Sprecher des Irischen“

323

Esperanto Dichter Jorge Camacho

325

Bengali Dichter Rabindranath Tagore

325

Bahá’í Glaubensgemeinschaft

339

„Die gefährliche Sprache“ von Ulrich Lins

339

Verfolgung der Esperantistoj

339

Karl Vossters denunzierende Kommentare bez. EO

340

Esperantist und Kämpfer gegen Faschismus: Hans Weinhengst

340

Wiener Esperantisto, Übersetzer: Christian Cimpa

356

„Prüfungsfrage: Warum ist die Geniedichte in der Esperanto-Welt so hoch?“

366

Stalins Säuberungen

368

geschlechtsneutrale Pronomina in Esperanto (ri, gi, hi, ŝli)

369

Esperanto-Förderer: Kazimierz Bein

370

Verb kabei

371

conlang Toki Pona

374

conlangs von Tolkien: Quenya & Sindarin

377

„Ich habe, nachdem ich den Klingonisch-Kurs auf Duolingo absolviert hatte, versucht, den vom Klingon Language Institute herausgegebenen Klingon Hamlet zu lesen. Es war mir zu schwierig.“

379

„Man musste, um den Wortbestand der Sprache kennen, zum Zeitpunkt des Todes von J. R. R. Tolkien vorhandenes Material auswerten bzw. hoffte auf postume Entdeckungen.“ „Quenya ist also nicht per Definition open source.“

381

Esperanto Dichterin: Spomenka Štimeo

391

Esperanto Dichter: Baldur Ragnarsson

399

conlang Kobaïa

399

Autorin in conlangs: Dagmara Kraus

399

conlang Langue Bleue aka. Bolak, conlang Autor Léon Bollack

399

conlang Myrana, conlang Autor Josef Stempfl

401

conlang Lojban

402

Till Eulenspiegel und Lojban, „Denn es gibt in Lojban, ähnlich wie in Blissmbolics, eine eigene Markierungskonvention, mit der man bildhaften Sprachgebrauch ankündigt.“

404

Lojban Dichter Michael Turniansky

Blissymbolics symbols list

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Conclusio

Es war es wert dieses Buch zu lesen. Zwar kann ich mit Gedichten nicht viel anfangen, aber der faktische Überblick über Planspracheneigenschaften war trotz seines fehlenden Sachbuchcharakters die Zeit wert. Die Verbindung des Esperantomanifests mit der Open-Source-Community ist wahrlich ein interessanter Gedanke, der in diesem Buch vorkommt und planmäßig zu einer Grazer-Linuxtage-Einreichung mit Richard in einem Jahr führen wird.